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Alleinerziehend in der Schweiz

Arbeitsrecht: Betreuung kranker Kinder

Infos für allein (und nicht allein) erziehende berufstätige Eltern.

© Andrea Hubacher andrea@1eltern.ch


Inhalt

Einleitung
Was für gesetzliche Rechte haben berufstätige Alleinerziehende, wenn das Kind krank ist?
Was ist, wenn das Kind länger als 3 Tage krank ist oder mehrere Kinder hintereinander krank sind?
Was hat sich im Arbeitsgesetz geändert per 1.8.2000 bezüglich Betreuung kranker Kinder?
Art. 36 Arbeitsgesetz
Art. 324a Obligationenrecht
Art 329b Obligationenrecht: Kürzung der Ferien
Quellen
Weitere Links

Einleitung

Welche allein erziehende Mutter kennt diese Situation nicht? Für den Normalfall ist alles perfekt organisiert. Tagsüber Kinderkrippe und Arbeit. Morgens und abends hat man die Kinder. Sobald das Kind krank ist, fällt die ganze Planung ins Wasser. Die Krippe verweigert die Aufnahme des Kindes (die Argumente: "Ansteckungsgefahr für die anderen Kinder", "ein krankes Kind braucht seine Mutter", etc.). Und schon kann man nicht zur Arbeit gehen. Verwandte wohnen nicht in der Nähe, haben Ferien oder arbeiten auch, alle nicht berufstätigen Freundinnen haben selber kleine Kinder und wollen nicht, dass diese angesteckt werden. Was tun? Wenn die Arbeit trotzdem gemacht werden muss und nicht liegenbleiben kann? Wenn der Chef tobt, dass man schon wieder fehlt? Muss man die Zeit, wo man das kranke Kind betreut, als Ferien beziehen oder kompensieren?


Was für gesetzliche Rechte haben berufstätige Alleinerziehende, wenn das Kind krank ist?

Gemäss Arbeitsgesetz muss der Arbeitgeber "Arbeitnehmern mit Familienpflichten gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses die zur Betreuung kranker Kinder erforderliche Zeit im Umfang bis zu drei Tagen" freigeben. Als Familienpflichten gelten "die Erziehung von Kindern bis 15 Jahren sowie die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder nahestehender Personen". Falls ein grösseres Kind alleine krank zu hause ist, hat man das Recht auf eine Mittagspause von mindestens 1 ½ Stunden, um das Kind über Mittag zu versorgen. Ueberstunden darf frau verweigern, wenn ein krankes Kind gepflegt werden muss. Auch vor Kündigung ist frau geschützt, eine Kündigung aus diesem Grund wäre missbräuchlich und könnte angefochten werden. Das Arbeitsgesetz ist eine öffentliche Norm und für alle verbindlich.


Was ist, wenn das Kind länger als 3 Tage krank ist oder mehrere Kinder hintereinander krank sind?

Hilfreich wäre es, wenn der andere Elternteil auch 3 Tage gemäss Arbeitsgesetz beziehen würde, so wären schon 6 Tage abgedeckt.

Falls diese 6 Tage noch nicht ausreichen oder kein zweiter Elternteil zur Verfügung steht: Nach Ablauf der 3 durch das Arbeitsgesetz abgedeckten Tage tritt der Artikel 324a des Schweizerischen Obligationenrechtes in Aktion, welcher den schweizerischen Arbeitsverträgen zugrunde liegt. Da der Arbeitnehmer hier in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht (das Sorgen für ein Kind ist eine gesetzliche Pflicht) unverschuldet an der Arbeitsleistung verhindert ist, "so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, ..., sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist". Wie lange hat der Arbeitgeber Lohn zu bezahlen? Hier gilt dieselbe Regelung, wie wenn der/die ArbeitnehmerIn selber krank ist. Das Obligationenrecht ist die privatrechtliche Norm. Durch Arbeitsvertrag, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag können längere Zeitabschnitte bestimmt sein. Im Normalfall sind dies pro Jahr mindestens 3 Wochen.
[Kommentar Kuhn: Da es sich bei der Kinderbetreuung um eine gesetzliche Pflicht handelt, richtet sicht die Lohnzahlungspflicht nach Art. 324a OR.]

Auch Ferien dürfen nicht gekürzt werden, falls jemand "insgesamt nicht mehr als einen Monat im Dienstjahr" fehlt (gemäss Artikel 329b Absatz 2 OR).


Was hat sich im Arbeitsgesetz geändert per 1.8.2000 bezüglich Betreuung kranker Kinder?

Bereits vor dem 1.8.2000 hat die Gerichtspraxis längstens akzeptiert, dass Absenz infolge Pflege eines kranken Kindes bezahlt ist wie bei eigener Krankheit. Seit dem 1.8.2000 genügt ein einfaches Arztzeugnis; und die Mutter hat das Recht, das Kind selber zu pflegen. Vorher war (in einem Gerichtsfall) ein strenger Nachweis nötig, dass keine andere Betreuungsmöglichkeit besteht. Beispielsweise wurde es nicht akzeptiert, die Grossmutter oder die Nachbarin als Betreuerin abzulehnen, weil man zerstritten war.
Insider hatten eigentlich erwartet, dass 3 Tage ohne Arztzeugnis im revidierten Arbeitsgesetz verankert würden, und waren enttäuscht über die 3 Tage.


Art. 36 Arbeitsgesetz

3. Arbeitnehmer mit Familienpflichten

Art. 36

1 Bei der Festsetzung der Arbeits- und Ruhezeit ist auf Arbeitnehmer mit Familienpflichten besonders Rücksicht zu nehmen. Als Familienpflichten gelten die Erziehung von Kindern bis 15 Jahren sowie die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder nahestehender Personen.

2 Diese Arbeitnehmer dürfen nur mit ihrem Einverständnis zu Überzeitarbeit herangezogen werden. Auf ihr Verlangen ist ihnen eine Mittagspause von wenigstens anderthalb Stunden zu gewähren.

3 Der Arbeitgeber hat Arbeitnehmern mit Familienpflichten gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses die zur Betreuung kranker Kinder erforderliche Zeit im Umfang bis zu drei Tagen freizugeben.


Art. 324a Obligationenrecht

1 Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen
ist.

2 Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen.

3 Bei Schwangerschaft und Niederkunft der Arbeitnehmerin hat der Arbeitgeber den Lohn im gleichen Umfang zu entrichten.

4 Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist.


Art. 329b Obligationenrecht: Kürzung der Ferien

Art. 329b
b. Kürzung

2 Beträgt die Verhinderung insgesamt nicht mehr als einen Monat im Dienstjahr und ist sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub, ohne Verschulden des Arbeitnehmers verursacht, so dürfen die Ferien vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden.

3 Die Ferien dürfen vom Arbeitgeber auch nicht gekürzt werden, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft und Niederkunft bis zu zwei Monate an der Arbeitsleistung verhindert ist.

4 Durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den Absätzen 2 und 3 abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer im ganzen mindestens gleichwertig ist.


Quellen

  • SR 822.11 Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel, http://www.admin.ch/ch/d/sr/822_11/index.html. Direkter Link zum Artikel 36: http://www.admin.ch/ch/d/sr/822_11/a36.html
  • SR 220 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) http://www.admin.ch/ch/d/sr/220/index.html. Direkter Link zum Artikel 324a: http://www.admin.ch/ch/d/sr/220/a324a.html
  • SR 220 Obligationenrecht Artikel 229b 2. Ferien b. Kürzung: http://www.admin.ch/ch/d/sr/220/a329b.html

  • Weitere Links

    • Dank geht an die Rechtsberatung des Magazins Saldo für das Hinweisen auf die richtigen Gesetzesparagrafen und deren Interpretation, insbesondere des Art. 324a OR. Das Saldo-Magazin ist online auf dem Internet unter http://www.saldo.ch
    • Europäische Sozialcharta: "27. Alle Personen mit Familienpflichten, die erwerbstätig sind oder erwerbstätig werden wollen, haben das Recht dazu, ohne sich einer Diskriminierung auszusetzen und, soweit dies möglich ist, ohne daß es dadurch zu einem Konflikt zwischen ihren Berufs- und ihren Familienpflichten kommt." http://book.coe.fr/conv/de/ets/163-de.htm
    • World Action Programme: Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienpflichten http://www.union-network.org/notes/policy/2526.htm. Hier finden sich viele gute Ideen und Visionen für noch familienfreundlichere Gesetzgebungen.

    Verantwortlich für diese Website: Andrea Hubacher andrea@1eltern.ch
     Letzte Aenderung: 27. November 2000
    Diese Web-Seite wurde:
    neu erstellt am:    27. November 2000
    zuletzt geändert am:    24. Februar 2008

    Sie finden diese Web-Seite unter:
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